„Es gab da dieses Grundvertrauen, dass alles wieder gut wird.“
Verena ist 27 Jahre, kommt aus Salzburg und engagiert sich als Freiwillige auf der Sonneninsel. Sie ist professionelle Tänzerin und unterrichtet kreativen Kindertanz auf der Sonneninsel, was ihr viel Freude bereitet. Im folgenden Interview erzählt sie über ihre Motivation sich bei der Sonneninsel zu engagieren, aber auch über ihre Erfahrungen als Geschwisterkind. Denn vor nunmehr über 15 Jahren ist ihre kleine Schwester Marlene, damals neun Jahre alt, an aplastischer Anämie, erkrankt.
Liebe Verena, wie bist du auf die Sonneninsel aufmerksam geworden?
Ich habe in sozialen Medien und auch im Magazin der Kinderkrebshilfe immer wieder über die Sonneninsel gelesen und hatte das Gefühl, das wär genau das Richtige für mich dort mitzumachen. Als professionelle Tänzerin und Yoga-Lehrerin darf ich nun auf der Sonneninsel unterrichten. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn die Teilnehmer der Tanzstunden sind vom Alter her oft bunt gemischt. Da muss man sich etwas Kreatives einfallen lassen, um z.B. die Bedürfnisse eines Dreijährigen und eines 15-Jährigen unter einen Hut zu bekommen. Aber in der letzten Stunde ist das zum Beispiel wunderbar gelungen. Wir haben rhythmische Übungen gemacht und ein 15-jähriger Junge hat eine tolle Body Percussion Einlage gemacht und alle waren ganz begeistert davon.
Du hast nicht nur erste positive Erfahrungen auf der Sonneninsel gemacht, sondern dich auch persönlich intensiv mit dem Thema Krankheit auseinandergesetzt. Deine Schwester Marlene ist mit neun Jahren erkrankt und wir möchten mit dir ein wenig über diese Zeit sprechen.
Wenn ich an die Zeit zurückdenke, dann ist vieles verschwommen und ich kann mich heute, gut 15 Jahre später, kaum daran erinnern. Ein paar Eckpunkte, etwa als die Diagnose gekommen ist, die Zeit im Krankenhaus oder die mobile Krankenpflege, die zum Blut abnehmen gekommen ist, diese Bilder habe ich noch sehr genau vor mir.
Wobei ich die Onkologie selbst als eigentlich sehr schönen, freundlichen Ort empfunden habe. Die Leute dort waren immer sehr offen und freundlich und es lag, meinem Empfinden nach, keine Schwere im Raum.
An einen Moment kann ich mich noch sehr gut erinnern, nämlich an die Weihnachtsfeier der Kinderkrebshilfe Salzburg. Es war eine coole, große Truppe an Leuten und Familien, in verschiedensten Stadien der Erkrankung. Und jeder hat ein Geschenk bekommen, sogar die Geschwisterkinder. Ich hab damals das Brettspiel Ubongo erhalten, bei dem man gemeinsam eine Art Tetris spielt. Meine Schwester fand mein Geschenk viel cooler, daran erinnere ich mich noch ganz genau.
Wie hat sich euer/dein Leben damals verändert?
Der Alltag lief eigentlich relativ normal weiter. Ich war zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt, meine Schwester neun. Ich war schon immer sehr erwachsen und selbstständig und in dieser Zeit hat mir das Tanzen bestimmt sehr geholfen, weil es ein Fixpunkt in meinem Leben war.
Besonders war, dass ich in dieser Zeit meinen Papa erst so richtig kennengelernt habe. Denn früher war Papa ja immer in der Arbeit und ich nie alleine mit ihm zuhause. Als meine Schwester krank war, war immer jemand bei ihr im Krankenhaus, aber natürlich auch ein Elternteil bei mir.
Wenn so etwas passiert, dann schüttelt das alles durcheinander, der Alltag verändert sich. Viele Dinge die vorher als selbstverständlich gesehen werden, nimmt man nun ganz anders wahr. Man verbringt die gemeinsame Zeit viel bewusster. Dadurch ist die Verbundenheit innerhalb der Familie noch stärker geworden und hat uns noch enger zusammengeschweisst.
Das Verhältnis bzw. das Band zwischen mir und meiner Schwester ist bis heute sehr stark. Wir waren und sind zwar noch immer sehr unterschiedlich, das fängt beim Musikgeschmack an und hört beim Sport auf, aber wenn es hart auf hart kommt sind wir zu 100% füreinander da. Es sind die Krisenmomente im Leben wo man aufeinander zählen kann, egal ob dies der erste Liebeskummer oder eben eine schwerwiegende Erkrankung ist.
Wie ist die Familie damit umgegangen?
Unsere Mama hat immer sehr klar mit uns kommuniziert und nichts unter den Tisch gekehrt. Ich war 13 und sehr reif und analytisch im Denken und hab verstanden worum es geht. Aber irgendwie habe ich nie Angst gehabt, dass ich meine Schwester verliere. Es gab da dieses Grundvertrauen von meiner Schwester selbst, dass alles wieder gut wird. Sie hat die Behandlungen über sich ergehen lassen – immer mit der Hoffnung auf Genesung. Aber auch der Grundoptimismus und den Sonnenschein den uns die Ärzte und Betreuer der Onkologie vermittelt haben, hat sehr geholfen.
Es war ein kleines Wunder… Marlene ist im Sommer krank geworden und zum Glück hat die Therapie schnell angeschlagen. So hat es circa ein Jahr gedauert bis sie wieder richtig gesund war.
Alles ist zum Glück gut verlaufen. Danach war es als Familie gar nicht so leicht, wieder in den Alltag zurückzufinden, aber so ganz genau erinnere ich mich gar nicht mehr. Ab und zu reden wir noch darüber… aber es hat keine Schwere mehr und dominiert auch nicht unseren Familienalltag.
Vor kurzem haben wir darüber gesprochen und meine Mama meinte, dass wir jetzt alle irgendwie auf dem „Helfertrip“ seien. Meine Schwester studiert Psychologie, ich möchte mich in Richtung Tanztherapie weiterentwickeln und meine Mama arbeitet als Lebens- und Sozialberaterin. Die Erfahrungen die wir gemacht haben, haben uns in die Tiefe schauen lassen, lassen uns Dinge besser verstehen und andere Leute unter die Arme greifen. Wir könne jede individuell zu unterstützen, eben mit den Werkzeugen und Talenten die wir zur Verfügung haben.